Collection

Kleine ovale Deckelterrine mit j-förmigen Bandhenkeln

Artist
Porzellanmanufaktur Du Paquier
Locality
Wien
Date
um 1735
Material
Aufglasurfarben auf Hartporzellan, Aufglasurbemalung, vergoldet, poliert (Vergoldung)
Dimensions
Terrine gesamt: H. 17,5-18 cm, B. 28,5-31 cm, T. 19 cm; Terrine ohne Deckel: H. 9,2 cm
Location
Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis
Inventory Number
93/383.1-2
Relation
Inv. No. 93/382 - 93/409 (Du Paquier-Service)
Acquisition
Öffentlich-rechtlicher Übertragungsvertrag 1993, Fürst Thurn und Taxis Kunstsammlungen, Regensburg

Zu den kostbarsten und bedeutendsten Relikten höfischer Prachtenfaltung und Tafelkultur des Fürstenhauses Thurn und Taxis im 18. Jahrhundert zählt das Du Paquier-Speiseservice. Mit seinen insgesamt 112 Teilen gehört es zu den umfangreichsten Ensembles aus der Frühzeit des europäischen Porzellans, zugleich bietet es auf Grund seiner nahezu vollständigen Erhaltung ein einzigartiges Zeugnis für die Produktion der Wiener Manufaktur Du Paquier. Dieser war ab 1718 - und damit nur acht Jahre nach Meißen - als zweiter Fabrikation in Europa die Herstellung des "weißen Goldes" gelungen. Gestützt auf ein Privileg Kaiser Karls VI. hatte der Wiener Hofkriegsagent Claudius Innocentius Du Paquier die Manufaktur gegründet und sich dabei der technischen Kenntnisse entflohener Mitarbeiter aus Meißen bedient. Zu diesen gehörten der engste Helfer Johann Friedrich Böttgers, der Ofenmeister, Massebereiter und Brenner Samuel Stöltzel und der Goldarbeiter und Emailleur Conrad Christoph Hunger. Führender Porzellanmaler wurde 1719 der Goldarbeiter Johann Gregorius Höroldt, der seinerseits später von Meißen abgeworben wurde. Allerdings mußte die Manufaktur Du Paquier bereits 1744 aufgrund finanzieller Probleme an das Kaiserhaus verkauft werden. Trotz der kurzen, nur gut 25 Jahre währenden Produktion spielte sie in der Frühzeit der europäischen Porzellangeschichte eine wichtige Rolle, war sie doch der Meißener Manufaktur in der Anfangsphase technisch überlegen: Spätestens Anfang 1720 gelang es in Wien, farbige Aufglasurdekore herzustellen und große Geschirrteile zu brennen, wodurch nun umfangreiche Speiseservice und nicht nur die kleinteiligeren Kaffee- oder Teeservice hergestellt werden konnten. In Wien entstand so das erste bekannte Tafelservice bereits 1722/1723, während eine vergleichbare Produktion in Meißen erst um 1728/1729 einsetzte.
Scherben, Glasur und gemalter Dekor des Services aus dem Besitz der Fürsten von Thurn und Taxis vermitteln ein höchst anschauliches Bild von den Erzeugnissen Du Paquiers. Dabei zeugen einzelne Teile des Services von den anfänglichen technischen Schwierigkeiten, mit denen die Manufaktur bei der Porzellanherstellung zu kämpfen hatte: Der Scherben weist vielfach kleine Massefehler wie Bläschen, Sandeinschlüsse oder schwarze Punkte auf, auch ist die dicke, teils leicht gräuliche, teils cremefarbene Glasur nicht stets gleichmäßig geflossen. Brandschwierigkeiten sind nicht nur an den kleinen Brandrissen und den vereinzelten Brandflecken abzulesen, sondern auch an der zum Teil verzogenen Form der Geschirre. Auch die kräftigen Aufglasurfarben des Dekors - Eisenrot, Kobaltblau, Manganviolett, Gelb, Gelbgrün und Seegrün - sind häufig nicht fest mit der Glasur verschmolzen.
Geradezu virtuos dagegen ist die Malerei, die gänzlich unabhängig von der Meißener Produktion einen eigenen, charakteristischen Stil entwickelt: Die Wandungen und Spiegel der Geschirre zieren subtil ausgeführte "europaeische" Blumen, die teils in Stricheltechnik nach druckgraphischen Vorlagen, teils locker und frei gemalt wurden. Sie sind dabei entweder zu üppigen Buketts zusammengefaßt oder schmücken den Tellerfond mit mehreren einzelnen Zweigen. Da der Blumendekor keine Hauptansicht vorgibt, sind die Geschirre von allen Seiten gleichwertig zu betrachten, was ihre Verwendung auf der Tafel ausgesprochen erleichtert.
Bemerkenswert ist, daß die ersten "europaeischen" Blumen in Wien bereits vor 1729 staffiert wurden, als die Meißener Manufaktur noch ausschließlich "indianische" Blumen, also Dekore mit Päonien-, Lotos- und Chrysanthemenblüten in Anlehnung an oder in Kopie nach ostasiatischem Porzellan verwendete. Als Markenzeichen des frühen Wiener Porzellans gelten schließlich die rahmenden Bordüren auf den Fahnen und Rändern der Geschirre, die als "Mosaisch" Dekor bezeichnet wurden. Sie sind aus vorwiegend eisenrotem Bandl- und Gitterwerk gebildet, bereichert mit stilisierten vegetabilen Formen wie Palmetten, schmalen Akanthusblättern, Vierblattblüten oder Punktlinien in Purpur, Grün, Blau und Gold. Dabei fällt auf, daß für Teller und Schüsseln bis auf minimale, durch die unterschiedlichen Größen bedingte Abweichungen die gleichen Bordüren beibehalten wurden, während auf den verschiedenen Terrinenmodellen die Muster deutlich variieren.
Das Thurn und Taxis'sche Service dürfte in die Jahre um 1735 zu datieren sein, da sein Randdekor unverkennbar Übereinstimmungen mit dem berühmten "Zarenservice" aufweist. Dieses war wohl als Geschenk Kaiser Karls VI. für Zarin Anna Ioannovna an den Hof von St. Petersburg gelangt, wobei dessen Entstehung für das Jahr 1734 archivalisch gesichert ist.
Eine Erwerbung des in Regensburg bewahrten du Paquier-Services durch das Fürstenhaus Thurn und Taxis ist weder zur Entstehungszeit des Geschirrs noch zu einem späteren Zeitpunkt dokumentarisch gesichert. Allerdings fehlen im Unterschied zu den detailliert geführten Verzeichnissen der fürstlichen Silberkammer genauere Angaben zu den Thurn und Taxis'schen Porzellanbeständen. Die ältesten erhaltenen Porzellaninventare von 1756 und 1781 führen das Wiener Service nicht auf, auch fällt auf, daß die einzelnen Porzellanteile nicht durch das fürstliche Wappen ausgezeichnet wurden. Dessen Fehlen bietet jedoch kein schlagendes Argument gegen die Erwerbung des Services durch das Fürstenhaus zu einem frühen Zeitpunkt, da die Manufaktur Du Paquier Geschirre häufig auf Vorrat produziert und so auf die Anbringung eines Wappens zu verzichten hatte. Die Frage, wann und durch wen das Service erworben wurde, muß daher offen bleiben.
Ein umfangreiches Tafelservice aus Porzellan zu besitzen war - dank der erst jungen Errungenschaft in der Herstellung des "weißen Goldes" - zur Zeit der Entstehung des Ensembles für die Fürstenhäuser Europas eine Frage von Prestige und Distinktion. Bei festlicher Gelegenheit ließ sich mit einem Porzellanservice demonstrieren, wie sehr der Hof und seine Tafelkultur auf neueste Trends und damit à la mode ausgerichtet war. Mit dem Aufwand, der bei der Ausstattung des Speiseraumes, dem Schmuck der Tafel, dem Umfang und der Qualität der Speisen wie auch bei der "Aufwartung", also der Bedienung, getrieben wurde, bewies der Gastgeber zugleich in eindrücklicher Weise Reichtum und Macht. Während an Höfen regierender Häuser zu besonderen Festtagen silbervergoldete , zuweilen auch goldene Service Verwendung fanden, entsprach es dem Rang eines fürstlichen Hofes, silbernes Geschirr zu decken, von dem das Fürstenhaus Thurn und Taxis umfangreiche, aufwendig gestaltete Bestände besaß. Diesen Servicen aus Edelmetall trat im Laufe des 18. Jahrhunderts das Porzellan gleichwertig zur Seite und wurde bald sogar beliebter. In der Anschaffung zwar kaum preisgünstiger und zudem in Krisenzeiten nicht wieder in bare Münze umwandelbar, bot ein Porzellanservice jedoch, abgesehen von seinen optischen Reizen, vor allem materialbedingte praktische Vorteile: Porzellan ist geschmacksneutral und säurebeständig und reagiert daher nicht auf Kontakt mit eihaltigen oder sauren Speisen, die - aus Silber genossen - einen unangenehmen Beigeschmack erhalten. Auch ist Porzellan im Gegensatz zu Silber kratzfest, weshalb es sich besonders für das Servieren von Schalentieren eignete. Aufgrund dieser Materialvorzüge wurde Porzellan im 18. Jahrhundert vornehmlich für das Entrée und das Dessert verwendet.
Die inmitten des Thurn und Taxis-Museums mit dem Du Paquier-Service gedeckte Tafel inszeniert die Vorkehrungen für ein festliches Diner des 18. Jahrhunderts. Die Präsentation der 30 Gedecke basiert auf zeitgenössischen Kupferstichen, überlieferten Gedeckplänen sowie Handbüchern für die Hofhaltung. Das Decken und Anreichen der Speisen erfolgte im 18. Jahrhundert gemäß dem "Service à la française", also nach der Servierordnung am französischen Hofe Ludwigs XIV., die von allen europäischen Höfen adaptiert worden war. Die Speisen verteilte man dabei auf drei nacheinander aufgetragene Gänge. Jeder Gang umfaßte eine Vielzahl von Gerichten, die zur gleichen Zeit auf der Tafel plaziert wurden, wobei ihre Verteilung nach präzis festgelegten Gedeckplänen erfolgte, die meist auf dem Prinzip der doppelten Symmetrie beruhten. Entsprechend werden auch bei der hier rekonstruierten Festtafel die Schüsseln und Terrinen in mehreren Reihen nach der Größe gestaffelt, immer auf Lücke und relativ dicht gestellt präsentiert. Beim Eintreffen der Gäste stand der erste Gang bereits auf der Tafel. Er umfaßte die Potagen, Hors-d'oeuvres, Relevés und Entrées, Fleisch- und Fischspeisen, die portioniert waren oder in Form von Ragouts und Pasteten gereicht wurden. Die Gerichte waren auf Platten und Schüsseln kunstvoll als "plats montés" angerichtet, auf Croustaden oder Untersätzen aus festem Brot-, Reis-, oder Nudelteig erhöht und mit Bordüren oder kleinen Spießen geziert. Der zweite Gang begann mit den Braten und wurde durch Zwischengerichte abgerundet. Um die Symmetrie der Tafel zu erhalten, wurde die sogenannte zweite "Tragt" in der selben Weise wie die erste aufgetragen, weshalb die Speisenanzahl der beiden Gänge einander entsprach. Als dritter Gang folgte schließlich das Dessert, das Gebäck, Eis, Bonbons und verschiedene, meist exotische Früchte umfaßte.
Beim dem Du Paquier-Service der Fürsten von Thurn und Taxis handelt es sich, wie die für Suppen und Ragouts vorgesehenen Terrinen anzeigen, um ein Service für den ersten Gang. Nicht ganz authentisch ist im Thurn und Taxis-Museum allerdings die Aufstellung der Terrinen jeweils ohne Unterplatten, da weder Zahl noch Größe der erhaltenen länglichen Platten mit denen der ovalen Terrinen übereinstimmen. Entweder dürften die Platten im Laufe der Zeit verloren gegangen sein oder aber die Terrinen wurden von Anfang an auf silbernen Unterplatten plaziert, wodurch die silbern bemalten Widerlager der Terrinendeckel eine optische Entsprechung gefunden hätten.
Als Regel galt jedoch die Kombination von Porzellan mit silbernen Bestecken, Tafelleuchtern und Salzgefäßen. Um eine authentisch gestaltete Tafel des 18. Jahrhunderts rekonstruieren zu können, wurde im Thurn und Taxis-Museum auf das Tafelsilber des Abtes von Neresheim (Kat.-Nr. 29) zurückgegriffen, auch wenn dieses etwa drei Jahrzehnte später als das Du Paquier-Service entstanden ist. Löffel und Gabel liegen dabei mit Laffe und Zinken nach unten, so daß die gravierten Wappen sichtbar werden: eine historische Präsentationsform, wie sie auf einem Gemälde aus dem Atelier des Martin van Meytens zu sehen ist, das das Bankett im Frankfurter Römer anläßlich der Wahl Josephs II. zum römischen König 1764 wiedergibt. Ebenso historischen Vorbildern olgt der Umstand, daß auf der Tafel des Thurn und Taxis-Museums keine Gläser gedeckt sind - sie sollten erst im Laufe des 19. Jahrhundert ihren Platz auf der festlichen Tafel finden. Im 18. Jahrhundert hingegen wurden bei Banquetten die Gläser auf seitlichen Schenkbüffets gefüllt, dann den Gästen kredenzt, von ihnen geleert und sofort dem aufwartenden Personal zurückgereicht. Die hier gewählte Präsentation beabsichtigt somit, das glanzvolle Schauspiel der Tafelkultur am Fürstlich Thurn und Taxis'schen Hof zur Mitte des 18. Jahrhunderts so authentisch wie möglich vor Augen zu führen.

BV010005185
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 09. Dezember 1994 - 05. März 1995: Du Paquier contra Meissen. frühe Wiener Porzellanservice, Bayerisches Nationalmuseum (Hrsg.), München 1994, S. 42-56

BV011726896
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 03. Dezember 1997 - 07. Juni 1998: Von Glück, Gunst und Gönnern. Erwerbungen und Schenkungen 1992-1997, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1997, S. 106, 108, Abb. S. 107, 109

BV047852520
Zum Objekt: Arnold Busson, Du Paquier contra Meißen - Frühe Wiener Porzellanservice, in: Keramos Heft 149,, S. 14-15

BV002596995
Zum Objekt: Katharina Hantschmann, Jahresbericht des Bayerischen Nationalmuseums 1993, Bayerisches Nationalmuseum (Hrsg.), München 1994

BV012190176
Zum Objekt: Mus-Kat. Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1998, S. 78-83, Abb. S. 80, Kat.-Nr. 18a

BV035843437
Zum Objekt: Fired by Passion. Barockes Wiener Porzellan der Manufaktur Claudius Innocentius du Paquier, Meredith Chilton (Hrsg.), Stuttgart 2009, S. 773-792, Abb. 9.49, Kat.-Nr. 223

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