Collection

Deckelpokal mit Wappen des Fürsten Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis

Artist
Cristall- und Kreyden-Glashütte
Locality
Zechlinerhütte (Gde. Rheinsberg), Brandenburg
Date
um 1740
Material
Glas, gefärbt, blau; Kreideglas, entfärbt, geschnitten, geschliffen, vergoldet
Dimensions
H. 30,2 (gesamt) 20,1 (ohne Deckel) 10,9 (Deckel)
Location
Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis
Inventory Number
93/1047
Relation
Acquisition

Medaillonpokal.
Zu den Deckelpokalen 93/1047 - 93/1049: "Nirgendwo in Mitteleuropa fertigte man in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts so viele durch ein Wappen oder durch Initialen auf eine bestimmte Person bezogene Glaspokale wie in Brandenburg. Der preußische König in Berlin verschenkte diese Prunkstücke an Regenten und Fürsten sicherlich in ähnlicher Absicht wie der sächsische Hof sein Meißener Porzellan. Zu jenen heute selten gewordenen brandenburgischen Repräsentationspokalen aus feinstem "Kristallglas" gehören zwei fast gleiche Deckelpokale sowie in drittes, ähnliches Trinkgefäß mit einem blauen, aufgeschmolzenen Glasmedaillon aus dem Eigentum der Familie Thurn und Taxis. Eine trichterförmige Weinkuppa mit stattlicher Wandungsstärke von 4 Millimetern, was solche Pokale schwer in der Hand liegen läßt, wird getragen von einem angeschmolzenen Glockenfuß und einem massiven Stengelschaft, den ein großer über einem kleineren Kugelnodus gliedern;
den hohen Deckel mit abgeschrägtem Einsetzrand und einer breiten unteren Ausstauchung bekrönt auf der oberen Aufwölbung ein massiver, dem Pokalschaft entsprechender Knauf. Als Rosettenkränze eingestochene Luftblasen aus je acht blitzenden Luftperlen um eine mittlere spiegeln sich silbrig in den Facetten der größeren Nodi von Schaft und Deckelknauf sowie im Kuppaboden. Reicher, kleinteilig-präzis facettierender Glasschliff façonniert im Wechselspiel mit den gerundeten Gefäßkompartimenten die frei von Hand geblasenen und mit simplem Glasmacherwerkzeug heiß geformten Pokale. Am besonders aufwendigen Medaillonpokal besteht der barocke Schliff aus Muschelungen in rosettenförmiger, gestaffelter Anordnung, Tafelsteinbänder gliedern seine facettierten ("eckig geriebenen") Nodi;
den Lippenrand der Kuppa sowie die untere Deckelpartie rahmt je ein Perlband aus zahlreichen winzigen, geblänkten, stehenden Oliven. Innen in der Fußmitte der Trinkgefäße befindet sich ein großer Abriß vom Hefteisen des Glasmachers, der das glühend heiße Gefäß während der Fertigung nie mit der Hand anfassen konnte. Der Deckel des Medaillonpokales besitzt nur eine einzige, glatt überschliffene Heftnarbe oben auf dem Knauf ebenso wie die Deckel der beiden anderen Gläser, die innen im Deckelzentrum noch einen zweiten Abriß haben.
Stereotyper gegliedert sind die zwei gleichartigen Pokale, ehedem wohl Teile eines "Flaschenkellers", durch tief eingeschliffene Furchenbänder aus geblänkten, länglichen Oliven in konzentrischer Rosettenform;
die Nodi ihrer senkrecht geschälten Stengelschäfte hat der Schleifer in Wabenform eckig gerieben;
die geblänkten Perlbänder entsprechen denen des Medaillonpokales. Akzentuiert aufgebrannter Farbdekor aus dick aufliegendem Gold erbrachte eine weitere, ebenso preußisch straffe Gliederung. Bei Furchungen wurde das Gold in rhythmischem Wechsel nur in jedem zweiten Einschnitt aufgemalt;
den Medaillonpokal zieren zudem schüttere, goldene Schlängellinien an Schaft und Knauf. Ein ornamental in die Kuppawandung der zwei fast gleichen Pokale eingeschnittenes und vergoldetes Spiegelmonogramm aus dem Buchstaben A und einem gegenständig verdoppelten F unter einem eingeschliffenen und vergoldeten Fürstenhut zieht den Blick des Betrachters nachdrücklich auf sich. Dem dritten Deckelpokal schmolz man ein hochovales, bis zu 5 mm dickes Medaillon aus dunkel königsblau gefärbtem Glas mit zu dunklem Saphirblau aufgehellten Rändern auf;
beim technisch sehr schwierigen Aufschmelzen dieser äußerst seltenen Farbauflage wurde die Innenwandung der Kuppa verdrückt. Prononciert in Gold auf dem Blau aufgemalt findet man hier das gleiche Spiegelmonogramm wie zuvor und darüber wiederum der eingeschliffene Fürstenhut. Ein aus Gold in die Kuppa eingebrannter Kartuschenschild aus Rollwerk mit Regence-Ornamentik aus Gitter-, Laub- und Bandlwerk rahmt zusätzlich das farbige Medaillon." (Rückert, Jahresbericht 1993, S. 32-33).
Katalogtext: Als kostbarer Schmuck der beiden fast gleichen Deckelpokale dient das in die Kuppa eingeschnittene und vergoldete Spiegelmonogramm aus dem Buchstaben "A" und einem gegenständig verdoppelten "F" unter einem Füstenhut. Die auf Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis (1704-1773) zu beziehenden Initialen zieren auch den dritten besonders aufwendigen Deckelpokal, bei dem das goldene Monogramm einem aufgeschmolzenen königsblauen Glasmedaillon mit umrahmendem goldenen Kartuschenschild einbeschrieben ist. Diese drei Prunkpokale entstanden in der 1737 von Potsdam nach Zechlin nördlich von Rheinsberg verlegten königlichen Cristall- und Kreyden-Glashütte. Die brandenburgischen Gläser waren vor allem für ihre unübertroffene Vergoldung berühmt, die auch - wie hier - bei reich facettierend geschliffenen und geschnittenen Gäsern als gliedernder Akzent eingesetzt wurde.
Als teure Einzelaufträge gefertigte, durch ein Wappen oder durch Initialen auf eine bestimmte Person bezogene Pokale dienten oft als diplomatische Ehrengeschenke. Auch Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis könnte diese Kostbarkeiten aus politischem Anlaß erhalten haben: Kurz vor der Kaiserwahl des Jahres 1742, als jede Wahlstimme umworben wurde, erneuerten die Reichsvikare das Lehen der Thurn und Taxis als Erbgeneralpostmeister. Der schließlich gewählte Wittelsbacher, Kaiser Karl VII., ernannte Alexander Ferdinand am 1. Februar 1743 zum Prinzipalkommissar am Reichstag in Frankfurt.
Aus der Zeremonialliteratur des 18. Jahrhunderts geht hervor, daß beim strengen Protokoll des Zu- und Gesundheitstrinkens an der Tafel Deckelpokale zum Einsatz kamen, die auf Kredenzen angereicht wurden. Vorrang oder Unterordnung der Gäste ließ sich auch an der Gestaltung der Gläser ablesen: So wurde bei der Hochzeit der Erzherzogin Maria Josepha mit dem Kurprinzen Friedrich August von Sachsen 1719 in Dresden dem Königspaar ein Glas mit goldenem Deckel und dem Brautpaar ein Glas mit gläsernem Deckel kredenzt.

BV038836467
Zum Objekt: Aukt.-Kat. Auktionshaus Sotheby's (Hrsg.): 1993.10.16-18, Die Fürstliche Sammlung Thurn und Taxis, Keramik und Glas, London 1993, Kat.-Nr. 2243

BV021112042
Zum Objekt: Robert Schmidt, Brandenburgische Gläser, Berlin 1914

BV002596995
Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 1993, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1994, S. 32, Abb. S. 33

BV002539476
Zum Objekt: Erwerbungsbericht Bayerisches Nationalmuseum 1993, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 44, München 1993, S. 236

BV011726896
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 03. Dezember 1997 - 07. Juni 1998: Von Glück, Gunst und Gönnern. Erwerbungen und Schenkungen 1992-1997, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1997, S. 82, Abb. S. 83

BV012190176
Zum Objekt: Mus-Kat. Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1998, S. 88-89, Abb. S. 88, Kat.-Nr. 23

Collection

Sammlung Thurn und Taxis

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