Collection
Knabenrock mit weiten Schößen
- Artist
- –
- Locality
- Frankreich
- Date
- Rock (Original): um 1730; Rock (letzte Umarbeitung): um 1795/1800
- Material
- Oberstoff: Seide, Samt, ziseliert; Futterstoff: Seide, Leinwandbindung; Einlage: Leinen, Leinwandbindung, beschichtet; Versteifung: Rosshaar, Leinwandbindung; Polsterung: Wolle, Vlies; Knöpfe: Metalllahn, Kantillen, Seide, Holz, umstochen; Oberstoff des Kragens: Seide, Cannelé simpleté; Einlage des Kragens: Leinen, Leinwandbindung, beschichtet
- Dimensions
- L. (vorn) 82 cm, L. (hinten) 81 cm, L. (Ärmel) 44 cm, B. (Rücken) 24,5 cm, U. (Oberweite) 76 cm
- Location
- Bayerisches Nationalmuseum (not on display)
- Inventory Number
- 96/197
- Relation
- –
- Acquisition
- Ankauf 1996, Aus dem Süddeutschen Kunsthandel, Aus der Sammlung Lillian Williams, Paris
Der Oberstoff ist goldfarben, hat einen Atlasgrund und Motive in geschnittenem und ungeschnittenem Samt. Die Motive bestehen aus großen, nebeneinander liegenden, hexagonalen Formen, die durch architektonische Rankenmotive und Blätter eingefaßt sind. Die Felder sind innen mit vasenartigen Gebilden, aus denen Blumen und Blätter entspringen, gefüllt. Der Stoff ist auf den Anfang des 18. Jhs. zu datieren, obwohl der jetzige Rock späteren Datums ist. Der Rock reicht bis über die Knie, ist vorn offen, hat einen später hinzugefügten Kragen und besteht aus zwei Voderteilen und zwei rückwärtigen Teilen, die bis über das Gesäß anliegend sind und darunter zu weiten, tiefen Falten auslaufen. Die Ärmel sind zweiteilig, in Form geschnitten und haben je eine breite Manschette, die im Gegensatz zum Rock aus verschiedenen Stückchen zusammengesetzt ist. Der ganze Rock ist mit hellblau-grauem, steifen Seidentaftstoff gefüttert, wobei die Vorderteile und der untere Teil des rückwärtigen Rockes zwischen Oberstoff und Futter mit doppeltem, dunkelbraunen, gewachsten Hanfstoff versteift sind. Der vordere, untere Teil des Rockes ist dazu noch mit Roßhaarstoff stark versteift und an der Innenseite unter dem Futter mit Wollvlies versehen. Dieser Kinderrock war ehemalig ein Herrenrock, der auf das frühe 18. Jhs. zu datieren war, denn die vorderen Kanten waren gerade geschnitten bis zum Saum und hatten vom Bauch aus auf der rechten Seite bis zum Saum hinunter in regelmäßigen Abständen weitere falsche Knopflöcher, deren Spuren teilweise längs der heute gekurvten rechten Kante noch zu sehen sind. Da die vordere Kante vom Bauch zum Saum gekurvt geschnitten ist, ist anzunehmen, daß der Zwickel am Saum etwa 25 cm breit war, und daß aus diesem Stoff jeweils die neuen zusammengestückelten Manschetten geschneidert wurden. Die ehemals breiten Aufschläge waren aus anderem Stoff und dehalb nicht für die Verarbeitung zu den heutigen Manschetten aus demselben Oberstoff zu verwenden. Längs der vorderen Kante ist das Futter bis zum Bauch mit original hellblauem Faden angenäht und darunter mit dunkelgold-braunem Faden festgenäht. Derselbe Faden vernäht auch die folgenden Veränderungen. Das heißt also, daß auch das Futter gleichen Datums ist. An den Kanten ist das Futter innen sauber an den Oberstoff verstürzt angenäht. Bei weiterer Untersuchung zeigt sich, daß die Ärmel unten eine tiefe Falte haben, um sie an das neu gemachte, kleinere Armloch anzupassen, die Ärmel wurden aber nicht kürzer geschnitten, denn sie reichten in der ersten Hälfte des 18. Jhs. nur bis zur Mitte des Unterarmes. Auch die Schultern und der Halsausschnitt wurden kleiner und enger geschnitten und der Stoff an der Seitennaht vom Armloch bis zur Hüfte an den Vorderteilen etliche Zentimeter nach innen gelegt, um den Rock an den Oberkörper des Jungen anzupassen. Dasselbe ist sehr wahrscheinlich auch an den rückwärtigen Teilen geschehen, aber es ist im jetzigen Zustand nicht nachweisbar. Die Vorderteile setzen schräg hinter der Schulter an, formen einen enganliegenden, runden Ausschnitt, der mit einem 7 cm breiten, nach der oberen Kante hin enger geschnittenen Kragen besetzt ist, von dem heute nur noch der äußere Stehkragen aus beigem und rotgestreiftem Seidenstoff, der mit dickem Hanfstoff gefüttert ist, übrig bleibt. Vom Oberstoff ist keine Spur zu sehen. Ein Teil des Kragens ist noch original angenäht und rings um den Kragen sind noch braune Fadenreste zu sehen, die gleich sind wie die Nähte der Veränderungen. Da der Stehkragen farblich überhaupt nicht zum übrigen Rock paßt, ist anzunehmen, daß dessen Funktion ein Steg war und darüber noch ein Kragen, vielleicht aus demselben Stoff, genäht war. Allerdings passen solche hohen Kragen nur in das Ende des 18. Jhs. Der Kragen wurde in jüngerer Zeit nochmals mit gelbem Faden grob angenäht. Vorne haben die Vorderteile gekurvte Kanten, die über die Brust breiter werden und auf Hüfthöhe leicht zur Seite geschnitten sind. Vom Ausschnitt bis zur Taschenpatte, die an der Hüfte ansetzt, ist die rechte Kante mit elf 5,5 cm langen, doppelt verknoteten Knopflöchern versehen, wobei nur die unteren 7 echt sind und unter dem elften die schon beschriebenen Spuren der alten Knopflöcher zu sehen sind. An der linken Kante sind 7 Holzknöpfe, die mit Metallgarn (Bouillon) und gelben Seidenfäden bedeckt sind, wobei die obersten 2 fehlen und auch unter dem letzten Spuren alter Knopflöcher zu sehen sind. Auf Hüfthöhe sind die Vorderteile durch eine 18 cm lange und 10 cm hohe Patte aus demselben Stoff mit hellblauem Futter versehen, die an den unteren Kanten drei Spitzen formt. Die Patte ist mit 4 falschen, doppelt verknoteten Knopflöchern besetzt, auch da sind Spuren zu sehen, daß diese Knopflöcher ehemalig länger waren, d.h., daß die Patte größer war. Unter der Patte ist eine hellblau gefütterte Tasche mit einem V-Ausschnitt. Unterhalb der Patten sind beidseitig vier Stich- und Fadenspuren, wo ehemals Knöpfe waren. Die Vorderteile reichen über die Seitenlinie, wo sie eng anliegend schräg gegen die seitlichen Teile führen und darunter in eine tiefe Falte gelegt, weit nach außen schwingen. Um dieses Auslaufen der Seiten zu unterstützen wurde seitlich der Tasche ein kleiner Abnäher im Oberstoff genäht. Die rückwärtigen Teile haben eine gekurvte mittlere Naht, reichen vom rechten Armloch zum linken und setzen am rückwärtigen Ausschnitt und hinter den schrägen Schultern an. Sie sind gegen die Taille hin leicht anliegend und laufen ununterbrochen bis zum Saum weiter. Über dem Gesäß hat das rückwärtige Teil bis zum Saum einen gekurvten Schlitz, der beidseitig mit je 10 falschen Knopflöchern versehen ist. Unter den letzen sind jeweils beidseitig noch Spuren, wo Knopflöcher waren, d.h., auch die Jacke wurde in der Länge gekürzt. Seitlich hinter den Knopflöchern ist je eine tiefe, frei auslaufende Falte, die innen festgenäht ist. Am Anfang des Schlitzes wurde der Stoff beidseitig eingeschnitten und je ein extra Stück Stoff eingesetzt, was diese falsche Falte bewirkte. Seitlich ist der Rock von der Hüfte aus wie vorne weit auslaufend geschnitten und fällt in tiefen, innen festgenähten Falten aus. Am Ansatz der Falten ist beidseitig je ein Knopf. Die zweiteiligen, in Form geschnittenen Ärmel, mit Ober- und Unterärmel, wirken im Gegensatz zum kleinen Rock eher groß, da sie wahrscheinlich vom Erwachsenen-Schnitt nicht verändert wurden, nur eine Falte rechts und links am Unterarm hat sie dem Knabenrock angepaßt. Die Ärmel setzen flach am Armloch an, haben fast keine Armkugel und reichen für den Knaben bis fast zum Handgelenken, die mit 11 cm breiten Manschetten versehen sind. Diese haben an der Außenseite je 3 doppelt geknotete, falsche Knopflöcher, die oben mit je einem Knopf enden. Allerdings sind diese Knopflöcher in brauner und nicht in beiger Seide gestickt wie alle anderen Knopflöcher. Unter den äußeren Ellenbogen ist beidseitig eine Verdickung an der Naht zu spüren, wo der ehemals unten breiter auslaufende Ärmel enger gemacht wurde. 3 cm oberhalb der Manschette sind am rechten Ärmel Faden- und Stichspuren zu sehen, wo jeweils an den Kanten ehemals die viel breiteren Aufschläge durch Knöpfe am Ärmel befestigt waren./Borkopp, Dr. Birgitt, Jolly, Schoenholzer, 1996.08.12
Collection
Sammlung Lillian Williams
Taxonomy
Gehrock