Sammlung

Tafelaufsatz: Die Sage

Künstler/in
Fritz von Miller
Entstehung
München
Datierung
1908
Material
Narwalzahn, Elfenbein, Rote Schmucksteine, wahrscheinlich Granatvarietät, Quarz mit nadeligen Einschlüssen, wahrscheinlich Turmalin, Türkise, Weiße Schmucksteine mit leichter Adulareszenz, wahrscheinlich Mondstein, Grünes, tranzulides Körperemail, Weißes, opakes Körperemail, Verschiedenfarbiges, opakes Zellenemail, Silber, legiert, Kupfer, Kupferlegierung, Kupferlegierung vergoldet, Holz
Maße
Gesamt: H. 197 cm, T. 60 cm, B. 48 cm
Standort
Kurzfristige Leihabgabe (nicht ausgestellt)
Inventarnummer
L 76/112
Bezug
Zugang
Unbefristete Leihannahme, Gesamtfamilie von Miller

Zu den eindrucksvollsten Objekten der Goldschmiedekunst der Prinzregentenzeit gehören Tafel- und Zieraufsätze. Ein Parade- und Glanzstück stellt die symbolisch überladene „Sage“ dar. Der 1908 angefertigte Tafelaufsatz gliedert sich in einen dreistufigen, emailverzierten Sockel, auf dem ein aus verschiedengroßen Elfenbeinstücken zusammengesetzter Tierschädel liegt. Hieraus entwächst in einer Krone um einen Narwalzahn herum ein silberner Rosenstauch. Entwurf und Ausführung lagen in den Händen von Fritz von Miller, dem bedeutendsten und als Lehrer an der Kunstgewerbeschule einflussreichsten Münchner Goldschmied. Er zählte zu den renommiertesten Lieferanten von Tafelaufsätzen für Mitglieder des bayerischen Herrscherhauses, das seine Werke besonders wertschätzte. Die Familie von Miller verband mit dem Prinzregenten über Jahrzehnte eine enge freundschaftliche Beziehung. Regelmäßig nahm Fritz von Miller zusammen mit seinen Brüdern Oskar, dem Gründer des Deutschen Museums, und Ferdinand d. J., Akademiedirektor und königlicher Erzgießer, an Tafelrunden in der Münchner Residenz oder an Jagdausflügen des Hofs teil. Der mehr als 30 Kilogramm schwere Zieraufsatz besticht durch sein außergewöhnliches Formenrepertoire, seinen hohen kunsthandwerklichen Anspruch und seine Materialwahl wie Elefantenzahn und Narwalhorn. Durch die Vorliebe für ausgefallene Naturalien, ein Markenzeichen der Werke Fritz von Millers, verwandelt sich das Objekt in ein typisches Kunst- und Wunderkammerstück im Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Natur. Von Miller knüpfte an den mittelalterlichen Mythos an, in dem der Narwalzahn mit dem Fabeltier des Einhorns in Verbindung gebracht wurde. Gezeigt wurde die „Sage“ erstmals auf der Ausstellung „München 1908“. Eine handgeschriebene Tafel des Künstlers erläuterte das Werk: „Die Sage. Vergraben unter Schnee und Eis liegt, Jahrtausende dem Menschenaug‘ entrückt, ein Einhorn. Die Sonne hat sich Bahn gebrochen und genagt und gefressen an der schützenden Hülle. Eine Krone schmückt den Schädel des königlichen Fabeltiers und erzählt in geheimnisvollen Zeichen märchenhafter Pracht. Zwischen Schnee und Eiskrystallen hat frisches Gras sich hervor gewagt und im spärlichen Erdreich ein Rosenstrauch Wurzel geschlagen. Ein Kranz von Haidrosen blüht über dem gebleichten Schädel. Mit dem Spaten ausgehoben ist die Scholle Erde, die Alter und Jugend so eng verbunden zeigt. Es ist die Sage, die aus Vergessenheit und tausendjährigem Schlaf immer wieder junges, frischkeimendes Leben zu wecken weiß.“

BV047323396
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerische Landesausstellung 2021/2022, Haus der Bayerischen Geschichte Regensburg, 23.06.2021-16.01.2022: Götterdämmerung II. Die letzten Monarchen, Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 70, Margot Hamm, Evamaria Brockhoff, Linda Brüggemann, Andreas Scherrer, Manuel Schwarz (Hrsg.), Augsburg 2021, S. 96 f. (mit Abb.), Kat.-Nr. 45

BV048803472
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Kunsthalle München, 03.02.2023-27.08.2023: Flowers forever. Blumen in Kunst und Kultur, Roger Diederen und Franziska Stöhr (Hrsg.), München 2023, S. 94 S. 193, Abb. Abb. S. 92-93 (Detail) Abb. S. 193

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