Sammlung

Tafelaufsatz

Künstler/in
Goldschmied: Jakob Christian Laminit
Entstehung
Augsburg
Datierung
um 1761-1763
Material
Silber, getrieben, gegossen, ziseliert, graviert, punziert
Maße
H. 50,7 cm, B. 49,5 cm, T. (mit eingehängten Blattschalen) 27,7 cm, G. 3195 g
Standort
Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis
Inventarnummer
93/94
Bezug
Inv.-Nr. 93/94 - 93/106 (Tafelsilber der Äbte von Neresheim)
Zugang
Öffentlich-rechtlicher Übertragungsvertrag 1993, Fürst Thurn und Taxis Kunstsammlungen, Regensburg

Das Neresheimer Abtssilber nimmt im Bereich der Tafelservice des 18. Jahrhunderts eine herausgehobene Stellung ein. Handelt es sich hier doch um das einzige Service eines Reichsprälaten des 18. Jahrhunderts, das noch in wesentlichen Elementen existiert - alle vergleichbaren Ensembles sind zumeist in den Jahren um 1800 der Einschmelzung zum Opfer gefallen. Das Augsburger Silberservice entstand aus Anlaß eines für die Abtei Neresheim entscheidenden Ereignisses: Nach langen Prozessen vor dem Reichskammergericht in Wetzlar konnte das Stift 1764 unter Abt Benedikt Maria Angehrn die Reichsstandschaft erlangen. Freilich war der Preis außerordentlich hoch. So mußten zahlreiche Besitzungen an die Grafen von Oettingen-Wallerstein abgetreten werden. Reichsprälat Benedikt Maria hatte nun als Herr eines - wenn auch winzigen - Territoriums zu repräsentieren und vornehmlich auch die Souveräne der benachbarten Herrschaftsgebiete angemessen zu empfangen und zu bewirten; zum Beispiel war Herzog Carl Eugen von Württemberg oftmals zu Gast in Neresheim. Dafür eignete sich in besonderer Weise das außerhalb der Klausur im Gasttrakt gelegene Tafelzimmer, das durch einen Gang direkt mit der vom Abt bewohnten sogenannten Prälatur verbunden war. Zugleich äußerte sich hier auch eine spezifisch benediktinische Gastlichkeit. Hatte doch der heilige Benedikt in seiner Ordensregel geschrieben, daß man die Gäste wie Christus aufnehmen solle - das nicht zur Völlerei geratende Mahl, das insbesondere den Fremden dargeboten wurde, galt als "honesta voluptas", als erlaubte Sinnlichkeit.
Benedikt Maria Abgehrn gab 1764 in Augsburg ein Silberservice in Auftrag gab, welches das gravierte Wappen des soeben zum Reichsprälaten erhobenen Abtes mit den Initialen "B.M.A.I.N." (Benedikt Maria Abt in Neresheim) vorweist. Bemerkenswert ist das zusätzlich zu Mitra und Krummstab auftretende Schwert, das auf die weltliche Gewalt des Abtes verweist: Erst mit der Erlangung der Reichsstandschaft, mit der die Ausübung der Landeshoheit einherging, konnte das Schwert als Würdezeichen in das Wappen aufgenommen werden.
Im Augenblick des Übergangs des Reichsstifts an das Haus Thurn und Taxis fiel auch das silberne Abtsservice der fürstlichen Silberkammer zu. In einem auf den 4. Dezember 1802 datierten Inventar ist der damalige Umfang dokumentiert. Dort werden "an vorräthigem Silber" genannt: "1 Tafel Aufsatz, 6 Tafelleuchter, 4 Kaffeekannen, 1 Credenz Teller, 1 Lavor, 21/2 Duzend Kaffee Löffelein, 21/2 Duzend Bestecke, 1 Duzend Salzbüchslein, 1 großer Suppenlöffel, 1 kleines Zucker Aufsätzlein, 4 Vorlag Löffel, 1 Tranchier Besteck". Bis auf geringe Einbußen blieb der dort genannte Tafelsilberbestand weitgehend in Regensburg erhalten.
Das Zentrum des Neresheimer Abtsservices bildet der sich auf einer Untersetzplatte erhebende Tafelaufsatz. Solche "Surtouts" dienten zur Aufnahme der Zutaten, die während der Mahlzeit ständig auf der Tafel verblieben, wie Salz, Gewürz, Senf, Essig und Öl, bis hin zu dem besonders für den Dessertgang benötigten Zucker. Der zierliche Tafelaufsatz von recht geringer Größe besitzt die Gestalt eines aus durchbrochenen Rocaillen und Blütenranken gebildeten Korbes, der auf vier einwärts geschwungenen Füßen in Blattform ruht. In der Mitte der Längsseiten findet sich jeweils eine zur Aufnahme von Gewürzen bestimmte muschelförmige Schale. Die sich auf den beiden Griffen erhebenden Putten, die zum einen mit einem Gewehr und einem erlegten Hasen, zum anderen mit einer Weinranke und einem Vogel versehen sind, verweisen auf die Freuden der Tafel: den Genuß des Wildbrets wie des Weines. Darüber hinaus verdeutlichen sie, daß die Jagd zu den standesgemäßen Vergnügungen der Reichsprälaten zählt, wie es auch für Benedikt Maria Angehrn überliefert ist. In dem Korb des "Surtouts" stehen zwei balusterförmige Gefäße: ein Zuckerstreuer und ein Kännchen für Senf, den man früher in flüssiger Konsistenz verwendete. Ursprünglich gehörten zu dem Tafelaufsatz auch zwei silbermontierte Kristallkaraffen für Essig und Öl. Deren Gestalt läßt sich zuverlässig aus einer Zeichnung erschließen, die exakt den Neresheimer Tafelaufsatz wiedergibt. Das sorgfältig ausgeführte Blatt (in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg) findet sich im einem umfassenden Bestand von Musterzeichnungen, der ursprünglich im Besitz eines Augsburger Silberhändlers war.
Die zum Abtsservice gehörigen zwölf flachen Salzschälchen scheinen der Form wie dem Dekor nach etwa gegen 1730 entstanden zu sein. Doch trägt wenigstens eine der Ausführungen das Augsburger Beschauzeichen der Jahre um 1763-1765. So liegt die Vermutung nahe, daß es sich weitgehend um ältere Lagerbestände handelt, die nach Eingang des Auftrages 1764 von Johann Leonhard Allmann in gleicher Form ergänzt wurden.
Ein wesentliches Element des Neresheimer Tafelservices bilden die 30 Eßbestecke, die jeweils aus Löffel, Gabel und Messer bestehen. Nach Auskunft der zitierten Archivalie handelt es sich hier wohl um die ursprüngliche Zahl der Bestecke. So konnte das, entsprechend der Zahl der Salzschälchen, gewöhnlich für zwölf Gedecke bestimmte Abtsservice durchaus auch für 15 Personen dienen, da man gewöhnlich etwa zwei Bestecke pro Couvert rechnete. - Im Dekor homogene Bestecke kamen erst am Hof Ludwigs XIV. im späten 17. Jahrhundert auf. Im Laufe des 18. Jahrhunderts bildete sich die verbindliche Form des Eßbestecks heraus: Die Laffe des Löffels ist länglich-oval gebildet; die Gabel weist vier schmale, parallel verlaufende Zinken auf, die in sich leicht gebogen sind; das Messer besitzt eine zum Schneiden gut geeignete Klinge, die vorne gerundet und nicht spitz ist.
Neben den Tafelgeräten und Besteckteilen haben sich auch die sechs zum Neresheimer Ensemble gehörigen Tischleuchter erhalten. Nach Aussage früherer Servicezusammenstellungen und -pläne stand gewöhnlich neben jedem Teller - oder auch neben jedem zweiten Teller - ein kleinerer Leuchter. Hier handelt es sich um ein in Augsburg häufig anzutreffendes Modell, das auch unter den erwähnten Musterzeichnungen eines Augsburger Silberhändlers begegnet.
Im Regensburger Thurn und Taxis-Museum sind die aus Neresheim stammenden Serviceteile als angemessene Ergänzungen zusammen mit dem Porzellanservice der Wiener Manufaktur Du Paquier gedeckt, bei dem die entsprechenden Objekte fehlen. Keine Aufstellung finden dort die nicht unmittelbar zur Tafel gehörigen Silberkannen für Schokolade, Kaffee und Milch, die zum Teil erst unter dem letzten Neresheimer Abt Michael Dobler um 1789-1791 erworben wurden.

BV000960154
Zum Objekt: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band III: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, S. 405, Kat.-Nr. 2470a

BV000960154
Zur Marke: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band III: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, S. 405, Kat.-Nr. 2470a

BV000960154
Zur Marke: Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. Meister, Marken, Werke. Band III: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, S. 26, Kat.-Nr. 243

BV009261717
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, München, 23. Februar 1994 - 29. Mai 1994: Silber und Gold. Augsburger Goldschmiedekunst für die Höfe Europas, Reinhold Baumstark, Helmut Seling (Hrsg.), München 1994, S. 594, Kat.-Nr. 176

BV012190176
Zum Objekt: Mus-Kat. Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, Reinhold Baumstark (Hrsg.), München 1998, S. 102-105, Abb. S. 103, Kat.-Nr. 29a

BV017034252
Zum Objekt: Ausst.-Kat. Neues Kloster, Bad Schussenried (Landesausstellung Baden-Württemberg), 12. April 2003 - 05. Oktober 2003: Alte Klöster - Neue Herren. Die Säkularisation im Deutschen Südwesten 1803, Volker Himmelein (Hrsg.), Ostfildern 2003, Abb. S. 242, Kat.-Nr. V.81

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