Sammlung

Das Mieder reicht vorne bis über den Bauch, wo es einen stark versteiften Spitz hat und ist nur hinten offen. Der Ausschnitt ist sehr breit und läuft quer über die Schultern bis zur rückwärtigen Öffnung. Die Armlöcher setzen sehr tief unter der Armschulter an, typisch für das Ende des 17. Jhs. Die Miederstruktur besteht aus einem Vorderteil, das am Armloch etwas über die Seitenlinien reicht und schräg nach vorne führt, wo es auf Taillenhöhe beidseitig 5 leicht versteifte Laschen hat. Die rückwärtigen Teile setzen hoch hinter dem Nacken an, sind hinten an den geraden Kanten stark versteift, hinter jeder Versteifung sind jeweils vom Ausschnitt bis zur Taille je 11 versäuberte Schnürlöcher, die außen vom Oberstoff bedeckt sind. Durch das oberste, linke Schnürloch führt noch ein Leinenband. Das Mieder ist auch bis zur Taille und läuft darunter in je 6 Laschen aus, wobei die letzte versteift ist und die untere Kante bildet. Die Miederstruktur ist aus doppeltem bräunlichen Hanf, das in regelmäßigen Abständen von 8-9 mm prallel zusammengenäht ist, durch die entstandenen Tunnel führen Fischbeinstäbe. Die vordere Mitte ist sehr wahrscheinlich mit einem Metallstab versteift, der über dem Bauch mit einem stark gepolsterten Pommel endet. Am vorderen breiten Ausschnitt waren ehemals beidseitig des zentralen Versteifungsstabs je 2 quer übereinanderliegende Fischbeinstäbe angenäht. Rechts und links über der Brust am Ausschnitt sind beidseitig in der Futterstruktur 2 kleine Abnäher. Unter der äußeren Lage des Futters ist beidseitig im rückwärtigen Teil vom Armloch zur rückwärtigen Kante hin auf Schulterhöhe ein schräg eingesetzter, kurzer Fischbeinstab. Der Oberstoff ist anders geschnitten als die Miederstruktur und als Verzierung darüber genäht worden. Er ist aus lachsfarbenem Seidentaft und reich mit Blatt-, Stiel-, Satin- und Knotenstich verziert in hellgrüner bis dunkelgrüner, hellblauer bis dunkelblauer, lilafarbener bis violetter, blaßrosafarbener bis roter, weißer und gelber Seide bestickt. Die Motive sind große, naturalistische Blumen, Blätter und Früchte sowie stilisierte, architektonische Motive. Der bestickte Stoff war ehemals zu etwas anderem gebraucht worden, denn der Stoff wurde mit ungewöhnlich viel Stickereiverlust zusammengefügt und viele der Motive wurden zerschnitten. Bei der fehlenden Stickerei ist unten noch die Tintenzeichnung zu sehen. Die verschiedenen Stoffstücke wurden einzeln mit feinem Papier unterlegt, bevor sie auf das Mieder genäht wurden. Der Oberstoff hat ein zentrales Vorderteil, das vom vorderen Armloch sich auf Bauchhöhe zu einem Spitz verjüngt, je ein seitliches Teil, das leicht über die Seitenlinie reicht und 2 rückwärtige Teile, wobei das zentrale sehr schmal ist und auf Taillenhöhe zu einem Spitz verläuft. Der Oberstoff reicht bis zu den Laschen, die einzeln mit dem selben Stoff überzogen sind, wobei die vordersten 6 Laschen und die zentrale Lasche mit Stickerei verziert sind. Die Schultern sind einzeln überzogen. Der Ausschnitt und die Armlöcher wurden in jüngerer Zeit mit weißer Crêpe de Chine eingefaßt. Die Laschen sind teilweise mit beigem Seidentaft gefüttert und laufen am oberen Ende unversäubert in das Oberteil über./Borkopp, Dr. Birgitt, Jolly, Dr. Anna, Schoenholzer-Nichols, Thessy, 1996.09.03
(Systematik: Kleidung - Mieder)