Sammlung

Gefäß: Zitronenkorb aus dem Sulkowski-Service

Künstler/in
Johann Joachim Kändler, Porzellanmanufaktur Meißen
Entstehung
Meißen
Datierung
1736
Material
Porzellan, Aufglasurfarbe, Gold (teilweise)
Maße
H. 34,5 cm, B. 44,5 cm, T. 31,5 cm
Standort
Bayerisches Nationalmuseum (Saal 98)
Inventarnummer
L 2011/54
Bezug
Zugang
Unbefristete Leihannahme 2011, Freundeskreis des Bayerischen Nationalmuseums e.V., München

Der Zitronenkorb war einst das Prunkstück des ersten großen Tafelservices der Meißener Porzellanmanufaktur, das zwischen 1735 und 1737 für Joseph Alexander Graf von Sulkowski (1695-1762) angefertigt wurde. Der polnische Adelige war als Jugendfreund, Reisebegleiter und Günstling des sächsischen Kurprinzen Friedrich August (1696-1763), des späteren Augusts III., nach dessen Regierungsantritt 1733 zum mächtigsten Kabinettsminister des sächsisch-polnischen Reiches ernannt und in den Grafenstand erhoben worden. Als Oberstkämmerer erhielt er gleichzeitig auch die Oberaufsicht über die Porzellane, die in das Japanische Palais geliefert wurden. Sein Einfluss schwand jäh, als er 1738 in Ungnade fiel, seine Titel und Besitzungen aber behalten durfte. Das Tafelservice Sulkowskis umfasste einst über 650 Einzelteile, darunter neben 72 Speise- und 48 Suppentellern vier große ovale und vier runde Terrinen, 110 Schüsseln in fünf verschiedenen Größen, 16 Saladieren, 18 Saucieren, 12 Salzfässer sowie acht mehrarmige und 28 eintüllige Tafelleuchter. Zudem hielt das Service auch 48 Kaffeetassen mit Untertassen sowie je sechs Kaffeekannen, Milchkannen, Zuckerdosen und Spülnäpfe bereit. Charakteristisch für alle Serviceteile ist das eigens entworfene breite, reliefierte Korbmuster, das sog. Sulkowski-Ozier, das später auch für andere Service gerne verwendet wurde. Der Zitronenkorb bildete einst den Mittelpunkt der sogenannten Platmenage, des zentralen Tafelaufsatzes, der bei den salzigen Gängen eines großen Diners die Mitte der Tafel einnahm. Der Korb stand dabei auf einem großen, heute verschollenen Untersatz aus Porzellan, umgeben von Gewürzgefäßen für Essig, Öl, Senf, Zucker und Salz. Was die Form betrifft, so kopieren der Zitronenkorb und auch die große Terrine des Services exakt die entsprechenden Geschirre aus dem berühmten mattvergoldeten Silberservice des sächsisch-polnischen Herrscherhauses, das August der Starke 1719 anlässlich der Hochzeit seines Sohnes Friedrich August, des späteren August III., mit der Kaisertochter Maria Josepha anfertigen ließ. Die Silberobjekte wurden auf mündlichen Befehl Sulkowskis im September 1735 per Schiff von Dresden nach Meißen transportiert und in den folgenden Monaten durch den berühmten Modelleur Johann Joachim Kaendler kopiert, was sich anhand seiner Arbeitsbücher genau verfolgen lässt. Dabei wurden von den Silberobjekten alle Details übernommen, auch die beiden Handhaben in Frauengestalt oder der Adler, das polnische Wappentier, der hier das Wappenschild des Grafen Sulkowski hinterfängt und den weißen Adler-Orden trägt. Im Juni 1736 modellierte Kaendler zum fast fertigen Zitronenkorb noch kleine Blumensträuße aus Porzellan, die den Korb bei Tage schmücken sollten, indem sie am oberen Rand in die Löcher gesteckt wurden, in die dann abends Kerzenhalter eingesetzt wurden. Auf den ersten Blick scheint das Vorgehen unerhört, wenn ein hoher Würdenträger die Glanzstücke der Dresdener Hoftafel für sich selbst in Porzellan kopieren ließ. Doch vieles spricht dafür, dass dies nicht ohne Billigung des Königs geschah, der die erste Verwendung des Services am 28. Februar 1737 anlässlich der Hochzeit des Grafen Lubomirski mit der Baronesse von Stain zu Jettingen, der Schwägerin Sulkowskis, miterlebte und sogar davon speiste. Überzeugend ist die These, nach der Sulkowski als wichtigster Minister des Landes bewusst ein Service aus Porzellan in den Formen des königlichen Gold-Services erhalten sollte, um damit bei offiziellen Anlässen den König zu repräsentieren und auf ihn zu verweisen, ohne sich unzulässig auf die gleiche Stufe zu stellen. Denn es war königliches Privileg, von Gold zu speisen, während dem Porzellan bei aller Wertschätzung keine rangmäßige Wertigkeit beigemessen wurde.

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Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 2010-2011, Renate Eikelmann (Hrsg.), München 2012, S. 39-40 (mit Abb.)

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Zum Objekt: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 63, München 2012, S. 248-249, Abb. 11

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Zum Objekt: Jahresbericht Bayerisches Nationalmuseum München 2012-2013, Renate Eikelmann (Hrsg.), München 2014, S. 80, Abb. S. 81

Systematik

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